Condado de Haza Crianza 2016

Schoßtanz mit Antonio Banderas

Trotziges zum Bodegas Condado de Haza, Crianza, DO Ribera del Duero, España, 2016

von Michael Benger / SensationWein – Condado de Haza, Crianza, 2016

Seogwipo, Sonntag, 9. August 2020

Lesezeit: ca. 13 Minuten

Die Steilküste Jeju-Dos am Oedolgae mit einem kleinen Café, zeitwweise mein Arbeitsplatz in Seogwipo
Die Steilküste Jeju-Dos am 외돌개 Oedolgae mit einem kleinen Café

Seogwipo, August 2020. Wegen eines angekündigten Taifuns war gestern mein vorerst letzter Arbeitstag im Café am Oedolgae, einer knapp 20 Meter hohen, basaltischen Felsformation vor der südlichen Steilküste Jejudos. Anschließend noch kurz beim E-Mart in Jungmun vorbei und den nächsten Wein geholt, einen Tempranillo aus dem Hause Condado de Haza – im Angebot für rund 22.000 KRW, also gut 16 Euro, beim Kauf von 2 Flaschen statt solo 33.000 KRW.

Hatten ich in einer der vorherigen Weinproben einen Vinho Tinto vom Duoro vorgestellt, so überqueren wir nun die Grenze von Portugal nach Spanien, befinden uns in der von Randgebirgen umfassten Meseta der Region Castilla y León im nördlichen Zentralspanien. Wir folgen dem Fluss, der hier Duero heißt, weiter in östliche Richtung und passieren die Stadt Valladolid, im Mittelalter Hauptstadt des Königreichs Kastilien, und erreichen schon bald das Zentrum der Weinbauregion, aus welcher der heutige Tropfen stammt: Ribera del Duero. Hier liegt der Schauplatz des „modernen Rotweinwunders im Norden Spaniens,“1 wie Hugh Johnson und Jancis Robinson es formuliert haben. Lassen wir uns betören oder reiben wir uns verwundert die Augen?

Verkostungsnotiz

Im Glas präsentiert sich der Rotwein von der Bodegas Condado de Haza in einem dunklen Rubinrot mit purpurnen Reflexen. Er ist klar, verfügt über einen opaken Kern und eine Viskosität von mittel+. In der Nase zeigt er sich sauber mit einer ausgeprägten Intensität der Primäraromen von dunklen, überreif kompottartigen Früchten (Beeren, Schwarzkirsche etwas Pflaume) und, subtiler, von frischen Kräutern (Zitronenmelisse) sowie Gewürzen (Lakritze), begleitet von den Sekundäraromen des Barriqueausbaus wie Vanille und Edelhölzer. Mit dem Schwenken des Glases legt die ohnehin ausgeprägten Intensität nur leicht zu.

Am Gaumen ist er trocken, eine milde, eher im Hintergrund agierende Säure und ein durchaus präsenter Alkohol werden von einer an der Zungenspitze wahrgenommenen Fruchtsüße abgerundet. Der mittelgewichtige Körper wird von festen, aber gereiften Tanninen getragen, die allerdings auch im vorderen Mundraum stehen bleiben. Präsenz und Länge sind ordentlich (mittel+). Die durchaus komplexe Aromatik aus dunklen Früchten, Gewürzen und Kräutern sowie balsamischen Noten wiederholt sich. Ein guter, komplexer, aromatisch intensiver Wein, mit einer saftig fleischigen Textur, ohne dabei pappig zu wirken. Er kann jetzt schon getrunken werden, hat aber noch Alterungspotential für drei bis fünf Jahre. Weinkritiker, so meine Einschätzung, dürften hier bei einer Punktezahl im oberen 80er Bereich liegen.

Kritikerstimmen zum Condado de Haza

In der Tat – beim renommierten Decanter World Wine Award gibt es 87 Punkte für den Tropfen, dem Wine Spectator, einem US-amerikanisches Lifestyle-Magazin, ist er 90 Punkte wert, die vom britischen Master of Wine Tim Atkin bestätigt und von James Suckling mit 93 Punkten sogar überflügelt werden.2 „Liebliche Aromen von zerstoßenen Beeren, Cola und Schokolade folgen auf einen mittleren Körper, integrierte und feine Tannine sowie ein geschmackvoller Abgang“3 notiert der renommierte Weinkritiker. 90 Punkte gibt es auch aus Österreich, vom Falstaff: „Süßkirschfrucht, am Gaumen mollig, cremig, mehliges Tannin, milde Säure, setzt die Kraft gut in Eleganz um, bindet den hohen Alkoholgehalt recht gut ein. Milde Säure, natürliche, entspannte Anmutung.“4

… und Werbesprech zum Condado de Haza

In den Weinshops rund um den Globus wird der 2016er Crianza der Bodegas Condado de Haza abgefeiert, respektive der Kundschaft schmackhaft gemacht: „Eines der interessantesten Produkte, die wir in der Weinregion von Castilla y León und Ribera del Duero finden können,“5 verkündet AporVino aus Madrid, von einer „kühnen, fassgereiften Schönheit“6 spricht man in Tarpon Springs, Florida, bei B-21 Liquors und Wines Online aus Singapore nennen ihn „einen sehr zugänglichen und stilvollen Wein.“7 Näher noch an unser heutiges Thema heran führen uns aber Bemerkungen wie „ein perfektes Zusammenspiel zwischen Tradition und Moderne“8, „eine Ernte, die an die der späten 80er und frühen 90er Jahre erinnert“9 oder auch der nüchtern gehaltene Verbraucherhinweis aus Hong Kong „Condado de Haza Wine Style: New World“10

„Ribera del Duero ist in Rätsel gebadet“

New World? Sind wir nicht in Spanien? Befinden wir uns nicht in einem der ältesten und bedeutendsten Weinbauländer der sogenannten Alten Welt? Ja, schon, aber – „Ribera del Duero ist in Rätsel gebadet“11, ließe sich mit den Worten des Master of Wine Simon Field lakonisch und zugleich vielsagend antworten.

Die ersten Reben für das Weingut wurden 1987 in den Gemeinden Roa und La Horra in über 811 Metern Höhenlage gepflanzt, aber erst einige Jahre später, 1995, konstituierte sich Condado de Haza12, angelehnt am französischen Château-Konzept, also eingebettet zwischen den hauseigenen Weinbergen und mit autarker Produktion.13 Damals herrschte Goldgräber-Stimmung am oberen Duero, wo man, wie Johnson und Robinson süffisant bemerken, „scheinbar innerhalb eines einzigen Jahres zu Ruhm gelangen“14 konnte, was zum „heutigen Wildwuchs an Möchtegern-Winzern“15 beitrug.

Kurzinfo Ribera del Duero

Lage:

Tal des Flusses Duero im nördlichen Teil der Meseta Central, zwischen Madrid und dem Iberischen Scheidegebirge, dem Kantabrischen Gebirge und den Montes de León; 115 Kilometern entlang der Ufer des Duero auf leicht gewellten, nach Osten hin ansteigenden Ebenen

Klima:

Mediterranes Kontinentalklima mit atlantischen Einflüssen: trockene Sommer, lange und strenge Winter, geringe Niederschläge (400-500 mm/Jahr im Durchschnitt), extreme jahreszeitliche Temperaturschwankung (von -20º bis 42º C); Tag-Nacht-Temperaturunterschiede während der Reifezeit: 15 bis 20ºC

Gestein/Boden:

zum Teil von tertiären Sedimenten bedeckte Abtragungsfläche eines Rumpfgebirges; leicht gewellte Ebenen; mehr oder weniger linsenförmigen Schichten aus schluffigen oder tonigen Sanden, die sich mit Kalk- und Mergelschichten abwechseln; sandige, ockerfarbene bis rötliche Lehmböden (Tertiär) und Schwemmlandböden auf niedrigen Flussterrassen (Quartär); basische pH-Reaktion, Mangel an organischer Substanz

Anbaufläche:

25.035 Hektar Weinberge, aufgeteilt in 63.835 Parzellen; fast 10% vor 1940 erstmals bepflanzt

Rebsorten:

Tempranillo (Tinta del País, Tinto Fino) mind. 75% in Rotwein mit DOP-Siegel, in geringerem Umfang Cabernet Sauvignon, Merlot, Malbec und Garnacha Tinta; wichtigste zugelassene weiße Rebsorte ist Albillo Mayor

Ertrag:

maximal zulässige Produktion pro Hektar: 7.000 kg/ha (für Albillo Mayor 9.500 kg/ha); de facto im 10-jährigen Durchschnitt 4.380 kg/ha; 80% Handlese

Produzenten:

ca. 8.000 Winzer, über 300 Bodegas mit rund 2.500 Marken

Reifeangaben:

Tintos Jóvenes:

max. 3 Monate Reifung, kein Barrique

Tintos Jóvenes Roble:

mind. 3 Monatet Reifung in Barriques

Tintos Crianza:

mind. 24 Monate, davon mind. 12 in Eichenhlozfässern mit Fassungsvermögen <= 330 l

Tintos Reserva:

mind. 36 Monate, davon mind. 12 in Eichenholzfässern mit Fassungsvermögen <= 330 l

Tintos Gran Reserva:

mind. 60 Monate, davon mind. 24 in Eichenholzfässern mit Fassungsvermögen <= 330 l

Boom

Der führte dazu, dass sich die Anzahl der Bodegas, der Weinkellereien, von 9 Häusern in 1982, auf beinahe 300 keine 40 Jahre später erhöhte.16 Und die Ertragsfläche? Die stieg im gleichen Zeitraum von rund 6.000 Hektar auf satte 23.000 Hektar an.17

Ablesen lässt sich das auch in der Beachtung in der Fachwelt: 1967 von Alain Huetz de Lemps in seinem umfangreichen, zweibändigen Werk „Vignobles et vins du Nord-Ouest de l’Espagne“ noch als unbedeutend vernachlässigt18, verfasste der französische Geograf und Botaniker von der Universität Bordeaux und Professor honoris causa der Universität Valladolid dann in 2004 ein erstes, 638 Seiten umfassendes Standardwerk über die Weinregionen der Comunidad Autónoma Castilla y Leon, innerhalb derer sich die Denominación de Origen, also die Ursprungsbezeichnung Ribera del Duero befindet.19 Was war geschehen in einer, für eine Region mit mehr als 2000 Jahre Weinbaugeschichte, relativ kurzen Zeitspanne?

Die Erzählung vom Märchenprinzen

Es gibt zwei um Klärung bemühte Versionen, die sich nicht unbedingt widersprechen, die aber die Schwerpunkte anders setzen. Das erste Narrativ, besser geeignet für die Welt der Hochglanzpostille und Marketingbroschüren, erzählt von einem Prinzen, der eine Königstocher aus ihrem Dornröschenschlaf wach küsst.20 Der Prinz in diesem Märchen, stellen wir ihn uns als so eine Art schumpeterschen Entrepreneur vor, war ein self-made man aus dem Örtchen Pesquera del Duero der bereits im Alter von 13 Jahren seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten musste, mal als Landarbeiter oder Hilfskraft, mal als Tischler und später als Vertreter für Landmaschinen. 1972, im Alter von 40 Jahren, verwirklichte er schließlich seinen Jugendtraum, kaufte gemeinsam mit seiner Gattin Esperanza Rivera eine kleine, aus dem 16. Jahrhundert stammende Kelterei samt zugehörigem Weinberg und brachte 1975 seinen ersten Tempranillo heraus.21 Den Tinto Pesquera, – anfangs noch in Sprudelflaschen abgefüllt.22

„Der Zufall wollte es, dass ein junger amerikanischer Weinjournalist seinen Pesquera in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre probierte und diesen kühn mit dem legendären Pétrus verglich. So hat Robert Parker jun. eher en passant einem aufstrebenden spanischen Winzer einen enormen Anschub gegeben, der andere Betriebe der Region förmlich mitriss“23, erzählt der österreichische Weinkritiker Peter Moser die Geschichte zu Ende. Und eben jener Prinz, jener Alejandro Fernández, gründete 1995 dann, wie erwähnt, auch die Bodegas Condado de Haza, von der mein heutiger Wein stammt.

… und die von der Netzwerkkonfiguration

Die zweite Version ist weniger poetisch, sperriger, und die hier rekurrierte Variante wurde 2007 von einem Autorenkollektiv der Universität Salamanca verfasst. Unser Märchenprinz spielt auch darin eine tragende Rolle, aber unterm Strich muss die Antwort „in der schrittweisen Konfiguration eines Netzwerks von lokalen Akteuren gesucht werden, die die spezifischen Ressourcen der Region für die Weinherstellung nutzen, um die Produktion auf Qualität auszurichten, indem sie 1982 die DO gründen und dann von der Regionalregierung technologische und institutionelle Unterstützung erhalten, um den endgültigen Sprung auf anspruchsvollere nationale und ausländische Märkte zu schaffen.“24

Herbstlandschaft in Ribera del Duero, Heimat des Condado de Haza Crianza 2016
Copyright CRDO Ribera del Duero

„Als Ergebnis all dieser Produkt-, Prozess-, Organisations- und Marktinnovationen auf lokaler Ebene von Ribera entstand in den 1990er Jahren in der Ribera del Duero eine Weinbauregion mit eigener Persönlichkeit und einer Marktpräsenz, die in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts durchschlagend wurde“25, schließen die Wissenschaftler aus Salamanca ihre Ausführungen und wir unseren Ausflug in die akademische Welt ab.

Einen solch fetten, muskulösen, wuchtigen Tropfen kannte man im postfrancistischen Spanien nicht

Ein „neues, relativ homogenes Produkt, der alterungsfähige Ribera del Duero Tempranillo“26 war geboren und betrat „im rechten Moment die spanische Weinbühne.“27 Einen solch fetten, muskulösen, wuchtigen Tropfen mit reifen, auch kompottartigen, zwischen Beeren und Pflaumen liegenden Fruchtaromen, gepaart mit eichenholzwürzigen Noten von Vanille, Lakritz oder Nelke, unterstützt von deutlich spürbaren Tanninen, fleischig, strukturiert und rund, samtig, kraftvoll, kannte man im postfrancistischen Spanien nicht.28 Lange Maischestandzeiten zur optimalen Ausbeute der Fruchtaromen und Tannine werden begleitet von einem vergleichsweise kurzen Ausbau in neuen amerikanischen, jüngst aber auch vermehrt französischen Barriquefässern.29 „Wenn die Rioja im Nordosten, die ebenfalls Rotweine auf Tempranillo-Basis herstellt, ihre Inspiration aus Bordeaux bezog, so war Ribera del Duero, so hieß es, eher eine spanische Version des Napa Valley“30, schrieb der Sommelier Eric Asimov in seiner Kolumne in der New York Times.

Ribera mauserte sich also, mehr oder weniger über Nacht, zum „Nabel der spanischen Weinwelt“31, zum Herausforderer Riojas, der altehrwürdigen Nummer eins in der Hierarchie der spanischen Anbaugebiete. Mitte der 2000er Jahre spielte man gar mit dem Gedanken, den Status einer DOCa, einer Denominación de Origen calificada, dem Gipfel der spanischen Herkunftsbezeichnungen, zu beantragen, bis dato lediglich der Rioja und dem Priorat vorbehalten, was aber wegen eines dann strengeren Regelwerkes und damit verbundenen bürokratischen Aufwandes in der Region nicht überall auf Gegenliebe stieß.32

Auswärtiges Kapital

Noch in 2012 kürte der Wine Enthusiast Ribera del Duero in seinem Wettbewerb „Wine Star Award Winner“ zur “Wine Region of the Year”33. Aber da war schon längst nicht mehr alles Gold, was glänzte.

Der Erfolg der Region zog nationale und internationale Investoren an. Die großen Bigplayer der spanischen Weinindustrie, von Félix Solís, Miguel Torres und Faustino über Codorníu und Freixenet bis hin zu Nueva Rumasa und der Bodegas y Bebidas, um nur einige zu nennen, wollten die neue Vorzeigeregion in ihr Portfolio aufnehmen. Aber auch Branchenfremde wurden angelockt. Der Madrider Verleger Alfonso de Salas beispielsweise, und, ja, auch er, wenn auch erst eine Dekade später – Antonio Banderas. Der im spanischen Málaga geborene, 1992 in die USA übergesiedelte Hollywood-Star, kaufte sich 2009 in die 1999 gegründete Bodega Anta Natura ein. Wegen der romantischen Ideen der dortigen Winzer, wie der einstige Leinwand-Latin-Lover verkündete34 – „wegen des großen Potentials für eine internationale Expansion“35, wie der damalige Chef der Bodega verlauten ließ.

Winterliche Weinreben in Ribera del Duero. Hier wachsen die Trauen für den Bodegas Condado de Haza, Crianza, DO Ribera del Duero, España, 2016
Copyright CRDO Ribera del Duero

Früher schon hatte der Schweizer Pharmariese Novartis investiert. Auf ihrem 1996 gegründeten Weingut Abadía Retuerta profitieren die Reben bei kalten Wintern von einer im Weinberg montierten Heizung, an zu heißen Sommertagen von gigantischen, Abkühlung spendenden Belüftern – ein Sinnbild für die kommerzielle „Transformation des Modells Ribera del Duero.“36

Die 2000er Jahre: nach einer Periode der Pioniere und anschließend der Invasoren eine der Konsolidierung

Es entstand das, was die Forscher aus Salamanca um Javier Aparicio als „segunda variante del vino Ribera del Duero37 bezeichnet haben. Zum klassischen Typ der etablierten lokalen Weingüter, fokussiert insbesondere auf den HORECA-Vertriebskanal und fleißig das Renommee der Region durch wohlwollende Beachtung seitens der internationalen Kritikerschaft aufpolierend, gesellten sich immer mehr Weine gebietsfremder Bodegueros, von denen es viele auf die Regalflächen der Supermarktketten abgesehen hatten, produziert auf Flächen, „wo früher Kartoffeln wuchsen und es besser auch heute noch tun würden“38, häufig genug haarscharf entlang der Mindestanforderungen des Consejo Regulador, um das begehrte Schutzsiegel der DO Ribera del Duero auf die Flaschen kleben zu dürfen.

Jährlich drehte man an der Preisschraube, wie der Szenekenner vom Wein-Plus-Magazin, Joachim Buchta, 2007 zum 25-jährigem Geburtstag der Appellation resümierte, bis schließlich der Markt zusammenbrach. Die Exporte in so wichtigen Abnehmerländer wie Deutschland und die USA knickten ein, die Preise sanken – teilweise um mehr als 50 %.39 Die folgenden 2000er Jahre dürfen, nach einer Periode der Pioniere und anschließend der Invasoren als eine der Konsolidierung betrachtet werden.

Ernüchterung

Mitten in diese Findungsphase hinein erschien also der 2007er Jubiläumsjahrgang – und enttäuschte. „Nach einer wenig glanzvollen Leistung hat Ribera del Duero einen Dämpfer erhalten“40, so die Überschrift des britischen Decanter-Magazins mit Lesern aus über 90 Ländern. Ein Verkostungspanel um Master of Wine Sarah Jane Evans hatte 106 Tropfen Ribera del Duero degustiert. „Es gab einige sehr glamouröse, teure Weine,“ bemerkte Pierre Mansour, Spanien-Einkäufer für The Wine Society, dem 1874 in London gegründeten und damit ältesten Weinclub der Welt, „aber die Weine waren überproduziert. Die Eiche war viel zu dominant.“41 Der Stil sei inkonsistent, ergänzte Evans, die Herkunft der Weine schlicht nicht schmeckbar.

Es ist genau dieser Umstand, der die Weinwelt bis heute beschäftigt: „Gibt es so etwas wie einen typischen Wein aus Ribera del Duero?“42, fragte Asimov in der oben bereits zitierten Kolumne, noch rund 10 Jahrgänge später. Sicherlich, da gibt es die Kultweine des Gebietes. Für den indisch-amerikanischen Sommelier und Winzer Rajat Parr sind es deren drei43: Vega Sicilias „Unico“, jenseits aller Kritik stehend, aber aus vielerlei Gründen auch außerhalb des Referenzrahmens, der Pesquera tinto „Janus“ unseres Märchenprinzen und Condado de Haza-Schöpfers Don Alejandro und der „Pingus“ des dänischen Starönologen Peter Sissek, den es Mitte der 1990er Jahre hierhin verschlagen hat. Da gibt es andere gute Hersteller, die nach Ausgewogenheit und Harmonie suchen, den Barriqueeinsatz behutsamer moderieren, Würze und Erdigkeit zur Geltung verhelfen, auch Frische, wozu Säure erforderlich ist.44

Und da sind die ambitionierten Traditionalisten, die, wie etwa ein Jorge Monzon, ihren clarete so wie früher als eine Kombination aus roten und weißen Trauben keltern, „kein teurer und gehobener Rotwein […]“, sondern „ […] hell und fruchtig, aber trocken – erfrischend und geschmeidig, aber mit Körper.“45

„Anfassen unerwünscht“

Dennoch, die Frage nach der Gebietstypizität beantwortet Asimov mit einem klaren Nein. „Ribera del Duero ist eine moderne Schöpfung, […] Diese Weine repräsentierten nicht die langsame Entwicklung des Charakters einer Region über Generationen hinweg […] sondern sind eher ein Produkt des internationalen Geschmacks.“46

Der US-amerikanische Weinimporteur und -kritiker Terry Theise schrieb mit seinem „Plädoyer gegen den globalen Einheitswein“47 – der englische Originaltitel lautet „Reading Between the Wines“ – quasi die Blaupause einer fast schon kulturphilosophischen Kritik gegen diese gemachten, extravaganten „Geselligkeitsweine“48, die eine Schau abziehen, laute Unterhalter sind und für groben Genuss bestimmt. Die nach Anerkennung suchen, denen es aber nicht um den Genießer geht, erpicht auf oberflächliche Aufmerksamkeit, forsch, aufdringlich, mächtig49 – so in etwa ließe sich ein Porträt dieser inszenierten Weine mit Fragmenten aus dem kleinen Büchlein collagieren. Um es mit einem recht bekannten Zitat aus diesem Manifest auf den Punkt zu bringen: „Die Weine der Alten Welt fordern Sie auf, mit ihnen zu tanzen; die Weine der Neuen Welt schieben Sie auf einen Stuhl und geben Ihnen einen Schoßtanz, anfassen unerwünscht.“50

Und dennoch: Spaßmacher Condado de Haza

Lassen wir uns betören oder reiben wir uns verwundert die Augen, so lautete die Eingangsfrage. Für mich ebenfalls eine Frage des Ortes. Aber dieses Mal nicht der der Produktion, sondern der des Konsums. Hier, auf einer kleinen, nicht mal 1.900 Quadratkilometer einnehmenden subtropischen Vulkaninsel, am nördlichen Rand des Ostchinesischen Meeres gelegen, die zu einem Land mit den weltweit teuersten Weinpreisen, Südkorea, gehört, da hat der 2016er Crianza der Bodegas Condado de Haza richtig Trinkfreude bereit. Bei aller berechtigten, hier ausgiebig zu Wort gekommener Kritik. Mit diesem gut gemachten Ribera del Duero kann man sich durchaus mal, und sei es vielleicht unter Niveau, amüsieren.

Condado de Haza, Crianza, 2016. Schosstanz mit Antonio Banderas. Trotziges zum Bodegas Condado de Haza, Crianza, DO Ribera del Duero, España, 2016

„Schoßtanz mit Antonio Banderas“ thematisiert die spanische Weinbauregion Ribera del Duero. Entlang des Referenzweines, dem Condado de Haza, Crianza, DO Ribera del Duero, 2016 wird die jüngere Geschichte der Appellation und der durch ihre Weine provozierten Kontroverse in der Weinfachwelt nachgezeichnet. Hier für Sie zum herunterladen bereitgestellt.

Lesezeit: ca. 13 Minuten

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  1. Hugh Johnson, Jancis Robinson : „The world atlas of wine”; 7th Edition, 2013, Seite 188 ↩︎
  2. Webseite des Wine-Searcher, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  3. James Suckling: “Alejandro Fernández Ribera del Duero Condado de Haza Crianza 2016”, Webseite von James Suckling, veröffentlicht am 01.07.2019, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  4. Ulrich Sautter, Dominik Vombach: „2016 Condado de Haza Crianza Ribera del Duero DO“; Falstaff, Tasting: Ribera del Duero – Deutschland; Webseite von Falstaff, veröffentlicht am 26.11.2019; aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  5. Webseite von AporVino, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  6. Webseite von B-21, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  7. Webseite von Winesonline, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  8. Webseite von hispavinus Weinissimus GmbH, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  9. Webseite von Decàntolo, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  10. Webseite von Jebsen Wines and Spirits; aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  11. Simon Field: Ribera del Duero: Purity & power; in: Decanter, October 20, 2019, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  12. Webseite von Alejandro Fernandez tinto Pesquera S.L., aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  13. Webseite von Iberowine Gourmet S.C., aufgerufen am 09.08.2020 sowie von hispavinus Weinissimus GmbH, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  14. Hugh Johnson, Jancis Robinson: “ Der Weinatlas”, München, 2008, Seite 197 ↩︎
  15. Jancis Robinson: „Ribera del Duereo“ o.A., Webseite von Jancis Robinson, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  16. Website von The Denomination of Origin Rueda ad the Denomination of Origin Ribera del Duero, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  17. ebd. ↩︎
  18. siehe: Javier Aparicio, José Luis Sánchez, José Luis Alonso, Valeriano Rodero: “La Ribera del Duero, geografía de un medio innocador en torno a la vitiviniciltura.” Scripta Nova: revista electrónica de geografía y ciencias sociales, [en línia], 2008, Vol. 12, Seite 11 ↩︎
  19. siehe hierzu: Alain Huetz de Lemps (2004): „Vinos y viedos de Castilla y Leon.” ↩︎
  20. Webseite von Captain Cork, o.A.: „Ribera del Duero: Aus dem Nichts in die Gläser der Kenner“; 12.8.2016 (Update 19.9.2019), aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  21. siehe Fußnote 14 ↩︎
  22. David Schwarzwälder, Wolfgang Hubert, Jürgen Mathäß: „Spanien und seine Weine: Von Klassik bis Avantgarde.“, 2009, Seite 145 ↩︎
  23. Peter Moser: „Ribera del Duero: Das rote Wunder“; in: Falstaff online, 2015, 24.Sept. 2015, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  24. Javier Aparicio et. al., a.a.O., Seite 11 ↩︎
  25. ebd., Seite 15 ↩︎
  26. ebd., Seite 11 ↩︎
  27. David Schwarzwälder et. al., a.a.O., Seite 144 ↩︎
  28. zur Beschreibung des Stils siehe etwa: Webseite von Consejo Regulador de la Denominación de Origen de Ribera del Duero, a.a.O., aufgerufen am 09.08.2020; David Schwarzwälder et. al., a.a.O., Seite 144; oder Peter Moser, a.a.O. ↩︎
  29. siehe: Wine & Spirit Education Trust: „Wein verstehen: Alles über Stile und Qualitäten.“, 2016; Seite 136f ↩︎
  30. Eric Asimov: “Finding Harmony in Ribera del Duero.” in: The New York Times, Dec. 13, 2018 ↩︎
  31. David Schwarzwälder et. al., a.a.O., Seite 144 ↩︎
  32. siehe: David Furer: „Ribera del Duero awaits appellation upgrade“; in: Decanter Magazine, March 29, 2007 ↩︎
  33. o.A.: “Announcing Wine Enthusiast’s 2012 Wine Star Award Winners”; in: Wine Enthusiast Magazine, published on November 13, 2012 ↩︎
  34. siehe: Christina Pickard: “Antonio Banderas launches Ribera wine.” in: Decanter Magazine, March 2, 2012 ↩︎
  35. John Abbott: “Antonio Banderas buys vineyard in Ribera del Duero.” in: Decanter Mgazine, March 19, 2009 ↩︎
  36. Javier Aparicio et. al., a.a.O., Seite 25 ↩︎
  37. ebd., Seit 25 ↩︎
  38. Joachim Buchta: “Die kleinen Mühlsteine einer großen Region. Die D.O. Ribera del Duero wird 25.” in: weinplus, 10. Oktober 2007, aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  39. ebd. ↩︎
  40. Decanter staff: “Ribera del Duero panel critical, despite medal haul.” Decanter online, November 2, 2011; ; aufgerufen am 09.08.2020 ↩︎
  41. ebd. ↩︎
  42. Eric Asimov , a.a.O. ↩︎
  43. Rajat Parr, Jordan MacKay: “The Sommelier’s Atlas of Taste. A field guide to the great wines of Europe.”, 2018; Seite 325 ↩︎
  44. siehe: Eric Asimov, a.a.O. ↩︎
  45. Rajat Parr, Jordan MacKay, a.a.O., Seite 326 ↩︎
  46. Eric Asimov, a.a.O. ↩︎
  47. Terry Theise: „Mein Wein: Das Plädoyer gegen den globalen Einheitswein.“ 2012 ↩︎
  48. ebd. ↩︎
  49. siehe: ebd., Seite 15 – 17 ↩︎
  50. ebd., Seite 29 ↩︎